Schizophrenie
Der Begriff Schizophrenie leitet sich von griech. σχίζειν s’chizein = „spalten, zerspalten, zersplittern“ und φρήν phrÄ“n = „Geist, Seele, Gemüt, Zwerchfell“ ab. Im antiken Griechenland hielt man das Zwerchfell für den Sitz der Seele, weshalb das Wort „phren“ (φρήν) für beide Begriffe steht. In der Bevölkerung wird Schizophrenie oft mit anderen Erkrankungen verwechselt, insbesondere mit einer „gespaltenen Persönlichkeit“ (dissoziative Identitätsstörung).
Wichtig ist eine sorgfältige Diagnose, da sämtliche Symptome einer Schizophrenie, also Positiv- wie Negativsymptomatik, auch durch Epilepsie oder andere Erkrankungen des Gehirns, Stoffwechselstörungen und durch den Konsum oder den Entzug von Drogen hervorgerufen werden können. Als problematisch gilt, dass zwischen dem tatsächlichen Ausbruch der Krankheit und ihrer Diagnose eine erhebliche Zeitspanne liegen kann. Studien zeigen, dass erste Veränderungen schon fünf Jahre vor der ersten akuten Psychose zu beschreiben sind. Die erste Behandlung erfolgt durchschnittlich zwei Monate nach dem Beginn der ersten akuten Phase. Zur Verkürzung dieser Zeit der unbehandelten Erkrankung wurden inzwischen sogenannte Früherkennungszentren eingerichtet, die u. a. über das Kompetenznetz Schizophrenie im Internet recherchiert werden können.
Aufgrund der unterschiedlichen Definitionen des Krankheitsbildes in Europa und den USA kam es zu deutlichen Unterschieden in den angegebenen Häufigkeiten; erst die Einführung eines einheitlichen Diagnosesystems (ICD) führte zu einer einheitlicheren Diagnostik. In dieses System flossen in die Kriterien für Schizophrenie sowohl die Symptome der Schizophrenie nach Schneider als auch die Symptome der Schizophrenie nach Bleuler ein.
Heute werden schizophrene Erkrankungen nach den Vorgaben Weltgesundheitsorganisation (ICD-10) oder der Amerikanischen psychiatrischen Gesellschaft (DSM-5) diagnostiziert.
Bei der schizophrenen Erkrankung kommt es zum Auftreten charakteristischer, symptomatisch, oft sehr vielgestaltiger psychopathologischer Querschnittsbilder mit Wahn, Halluzinationen, formalen Denkstörungen, Ich- Störungen, Affektstörungen und psychomotorischen Störungen. Nachweisbare körperliche Ursachen fehlen. Die neueren Klassifkationssysteme verlangen eine bestimmte Mindesterkrankungsdauer. Schizophrenieartige Bilder, die Dieses Kriterium nicht erfüllen, werden als schizophreniforme Erkrankung klassifiziert.
Ursache
Dem heutigen Verständnis nach handelt es sich bei der Schizophrenie um eine eigentlich "körperliche" Erkrankung. Nach der Dopaminhypothese liegt ihr eine Überfunktion derjenigen Anteile des Gehirns zugrunde, die den Botenstoff Dopamin verwenden. Die letztendliche Ursache dieser Veränderung ist nicht bekannt. Die Wirkung der Neuroleptika wird durch eine Hemmung der Dopaminaktivität erklärt.
Die Anlage für eine schizophrene Psychose, jedoch nicht die Erkrankung selbst wird vererbt. Wenn von einem eineiigen Zwillingspärchen der eine erkrankt, so liegt das Krankheitsrisiko für den anderen bei etwa 60-80%. Daraus kann man schließen, dass außer der genetischen Veranlagung weitere Faktoren nötig sind, damit die Krankheit ausbricht. Welcher Art diese Bedingungen sind, kann man derzeit nicht sagen. Dem Ausbruch einer Schizophrenie können Belastungssituationen vorausgehen, die jedoch als Auslöser und nicht als Ursache anzusehen sind.
Allerdings gibt es auch andere Erklärungs- und Therapieansätze, die ich nicht verschweigen möchte. Manche Therapeuten lehnen den Psychosebegriff in seiner "klassischen" Auslegung ab. Sie gehen beispielsweise davon aus, dass es sich bei der Schizophrenie um eine "frühe Störung" der Persönlichkeitsentwicklung handelt, die psychotherapeutisch angegangen und überwunden werden kann. Während früher von dieser Richtung häufig eine Psychosebehandlung ganz ohne Psychopharmaka gefordert wurde, geht der Trend nun eher dahin, dass möglichst wenig Medikamente eingesetzt werden. Ich werde mich jedoch im Folgenden an die in der Medizin gebräuchliche und aus meiner Sicht treffendere "klassische" Auslegung halten.
Häufigkeit
Die Schizophrenie ist keine seltene Krankheit. Nach G. Huber erkrankt 1% der Bevölkerung wenigstens einmal im Leben an einer schizophrenen Psychose. Mehr als 80% der Betroffenen erkranken vor dem 40., nur 2% vor dem 14. Lebensjahr.
Symptome
Es ist sehr schwer, einen Überblick über die vielfältigen Symptome zu geben, die bei einer schizophrenen Erkrankung auftreten können. Ich werde mich daher in etwa an den ICD 10 (International Classifikation Of Diseases, Ausgabe 10) der WHO halten. Der Text ist sehr trocken und schwer verständlich, deshalb möchte ich gleich auf das Fallbeispiel hinweisen.
Sinngemäß werden im ICD 10 folgende Gruppen von Symptomen aufgeführt:
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Das Lautwerden von Gedanken oder die Überzeugung, dass sich die eigenen Gedanken ausbreiten, einem selbst entzogen oder eingegeben werden.
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Die nicht widerlegbare Überzeugung (=Wahn), dass man selbst von außen kontrolliert oder beeinflusst wird. Das Gefühl, dass die eigenen Bewegungen, Gedanken, Tätigkeiten oder Empfindungen von außen "gemacht" werden.
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Das Hören von (nicht vorhandenen) Stimmen, die die eigenen Handlungen kommentieren, Befehle geben oder mit bzw. über die eigene Person reden, und die als von außen oder einem Teil des Körpers kommend erlebt werden.
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Anhaltende, nicht widerlegbare Überzeugungen, die nicht durch den persönlichen oder kulturellen Hintergrund des Einzelnen erklärbar sind oder völlig unrealistisch sind, z.B. der Wahn, das Wetter kontrollieren zu können oder eine bestimmte religiöse Figur zu sein.
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Anhaltende Halluzinationen jeder Art, d.h. des Hörens, des Riechens, des Sehens, der Körperempfindung etc., die von dem Betroffenen für real gehalten werden und von wahnhaften Gedanken über ihre Entstehung begleitet werden. Diese Empfindungen sollten täglich über Wochen oder Monate auftreten.
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Das Abreißen von Gedanken, d.h. das nicht zu Ende denken können eines Gedanken, weil er während des Denkens verschwindet oder aber immer neue Ablenkungen des Denkens, die es unmöglich machen, einem Gedanken anhaltend zu folgen. Das kann zu einem Danebenreden, zu neuen Wortschöpfungen und zu einer Zerfahrenheit des Denkens führen.
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"Katatone" Symptome wie unverständliche, das "normale" Maß völlig übersteigende Erregung oder aber das Gegenteil, d.h. Zustände, in denen der Betroffenen in keiner Weise mehr mit der Umwelt in Verbindung tritt, nicht mehr auf Ansprache und letztendlich nicht einmal mehr auf Schmerzreize reagiert.
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"Negative" Symptome wie eine Verarmung im Gefühlsleben und der Erlebnisfähigkeit, auffallender Mangel an Initiative und andere, die meistens mit einem sozialen Rückzug und einer verminderten sozialen Leistungsfähigkeit verbunden sind. Diese Symptome dürfen nicht durch eine Depression oder eine Behandlung verursacht sein .
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Eine anhaltende und durchgängige Veränderung der Persönlichkeit des Betroffenen, die sich in Ziellosigkeit, Trägheit, einer sich selbst verlorenen Haltung und sozialen Rückzug darstellt.
Alle oben genannten Symptome können auch bei anderen Erkrankungen auftreten. Vor der Diagnose einer Schizophrenie müssen daher andere Störungen wie z.B. bestimmte Arten von Rauschzuständen auf Grund der Einnahme von Drogen oder ein körperlicher Schaden am Gehirn als Ursache der Erkrankung ausgeschlossen sein. Dann reicht es aus, wenn 1 Symptom der Gruppe 1-4 oder mindestens 2 Symptome der Gruppe 5-8 über mindestens einen Monat eindeutig ausgeprägt sind.
Behandlung
Schizophrene Psychosen werden in erster Linie mit Neuroleptika wie z.B. Haldol behandelt. Vereinfacht erklärt man sich die Wirkung der Neuroleptika dadurch, dass sie die bei einer Schizophrenie erhöhte Dopaminaktivität reduzieren. Neuroleptika wirken auf 2 Arten, die bei den verschiedenen Präparaten unterschiedlich ausgeprägt sind. Schnell tritt eine beruhigende Wirkung ein, die spezielle antipsychotische, d.h. gegen die Symptome der Schizophrenie gerichtete Wirkung beginnt jedoch erst nach mehreren Tagen. Eine Psychotherapie in Form von Gesprächen, in denen der Betroffene sich selbst und seine Probleme mitteilen kann ist sicher hilfreich. Eine aufdeckende Psychotherapie im engeren Sinne wie z.B. eine Psychoanalyse nach Freud kann jedoch gefährlich sein und den Erkrankten weiter in die Psychose hineintreiben. Flankierend wird man in der Klinik je nach Bedarf des Einzelnen weitere Therapiearten wie Beschäftigungs- und Arbeitstherapie, Kunst- und Musiktherapie etc. anwenden. In seltenen Fällen kann auch die Durchführung einer Elektrokrampfbehandlung nötig sein.
Nicht zu unterschätzen ist auch die Wichtigkeit des sozialpsychiatrischen Aspektes. Die Qualität der Einbindung eines Betroffenen in einen funktionierenden sozialen Bezugsrahmen ist mitbestimmend für das Rückfallrisiko und den weiteren Krankheitsverlauf. Ein anderer Punkt ist, dass auch eine einmalige Krankheitsphase den Betroffenen in seinem sozialen Umfeld schwer erschüttern kann. Hier ist es Aufgabe des Psychiaters zumindestens die Personen, die er erreichen kann (d.h. im Normalfall den Patienten selbst und, wenn der Patient einverstanden ist, wichtige Bezugspersonen) über Krankheit, Prognose und Behandlung aufzuklären und Verständnis für den Betroffenen zu vermitteln. Hier kann auch der Ansatzpunkt einer Gesprächstherapie sein, die dem Betroffenen über diese Schwierigkeiten hinweghilft.
Ein anderer wichtiger Punkt ist die medikamentöse Verhütung eines Rückfalles. Neuere Erkenntnisse empfehlen eine vorbeugende Behandlung über 2 Jahre nach einer Ersterkrankung und 6 Jahre nach einer Folgeerkrankung, da in dieser Zeit das Rückfallrisiko noch relativ hoch ist. Durch ein solches Schema können anscheinend sogar Medikamente eingespart werden, da die vorbeugende Behandlung mit viel kleineren Dosen erfolgen kann als die Behandlung eines akuten Rückfalles. Wenn ein Betroffener viele Rückfälle erleidet, kann dies in einer Art Teufelskreis münden; durch die Krankheitsphasen geht mehr und mehr von seinen sozialen Ressourcen verloren, damit hat er weniger "Halt", seine Einbettung in die Gesellschaft wird geschwächt. Vielleicht wird er auch die Personen und Beziehungen, die ihn in seinem sozialen Netz halten wollen, sich im weiteren Verlauf jedoch distanzieren (z.B. zunächst noch wohlwollende Vorgesetzte oder auch die eigene Familie) in seinem subjektiven Empfinden als zunehmend feindselig erleben. Dadurch und durch die daraus entstehende Ablehnung einer von solchen Instanzen evtl. vorgeschlagenen Therapie entsteht wiederum ein erhöhtes Rückfallrisiko.
Prognose
Im Prinzip kann man im Bereich der schizophrenen Psychosen 3 verschiedene Verlaufsformen unterscheiden. Bei einem Drittel der Erkrankten heilt die Psychose nach nur einer Krankheitsphase vollständig aus. Bei einem weiteren Drittel treten weitere (im Durchschnitt ca. 3 Monate andauernde) Phasen auf, der Betroffene ist dazwischen praktisch gesund. Auch diese Verlaufsform heilt häufig nach mehreren Phasen aus. Bei dem letzten Drittel kommt zu einem anhaltenden Krankheitsbild mit zunehmender Veränderung der Persönlichkeit und häufig dem Auftreten von Negativsymptomatik. Aber auch nach einem jahrzehntelangen Krankheitsverlauf sind Besserungen und sogar, wenn auch selten, Heilungen möglich. Für eine günstige Verlaufsform sprechen: späte Ersterkrankung, schneller Krankheitsbeginn mit ausgeprägten Krankheitszeichen, ausgeprägte Beteiligung des gefühlsmäßigen Erlebens und eine unkomplizierte Persönlichkeitsstruktur mit guter Kontakt- und Anpassungsfähigkeit.
F2 Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen
F20.- Schizophrenie
F21 Schizotype Störung
F22.- Anhaltende wahnhafte Störungen
F23.- Akute vorübergehende psychotische Störungen
F24 Induzierte wahnhafte Störung
F25.- Schizoaffektive Störungen
F28 Sonstige nichtorganische psychotische Störungen
F29 Nicht näher bezeichnete nichtorganische Psychose
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Symptome der Schizophrenie
Grundsymptome:
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Störung des Denkens
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Formale Denkstörung: Zerfahrenheit, Gedankenabreißen, Neologismen
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Störung der Affektivität
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Gehobene Stimmung, läppischer Affekt, depressive Verstimmung, Angst
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Störung des Antriebs
Akzessorische (hinzutretende) Symptome
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Wahn
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Halluzinationen
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katatone Erscheinungen
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