Der individuelle Geist, das ICH als oberste geistige Instanz im Menschen, umfasst die drei Stufen der Geisterkenntnis des Menschen und verkörpert sich von Inkarnation zu Inkarnation. Der Geist des Menschen ist nie fertig, sondern in einem ewigen Werden begriffen. Er ist der unvergängliche geistige Wesenskern des Menschen. Durch dieses individuelle ICH kann der Mensch schöpferisch tätig sein. So ist er der Umwelt und seinen Erlebnissen und Erfahrungen nicht hilflos ausgeliefert. Durch den Geist kann er auch in tiefsten Schicksalsschlägen einen Sinn erkennen. Mit dem Geist erkennt der Mensch die Gesetzmäßigkeiten. Durch den Geist ist der Mensch verbunden mit der Geistigen Welt. Während die vergängliche Seele, die sich nach dem Ableben durch ihre Reinigung im Kamaloka (Fegefeuer) und in den höheren Bereichen der Seelenwelt bis auf ihren unvergänglichen Rest in der allgemeinen Astralwelt zerstreut und für die kommende irdische Inkarnation weitgehend neu und mit anderen Eigenschaften wieder aufgebaut werden muss. Die Unvergänglichkeit der Seele ist nicht von Anfang an gegeben, sondern wird erst im Laufe zahlreicher Inkarnationen mit der auf das Geistige ausgerichteten Bewusstseinsseele durch die Tätigkeit des ICH erworben.
Die Lehre von der Wiederverkörperung des Geistes ist darum auch streng zu unterscheiden von der Seelenwanderung, wie diese im Hinduismus, Buddhismus und Schamanismus dargestellt wird.
Nach anthroposophischer Auffassung unterliegt der Körper der Vererbung, die Seele dem in früheren Erdenleben selbst geschaffenen Schicksal (Karma), und der Geist entwickelt sich durch die aufeinanderfolgenden Inkarnationen weiter.
Mit dem zunehmenden Materialismus ist mittlerweile nicht nur das Verständnis für den Geist, sondern auch für die Seele, namentlich für ihr Fortbestehen nach dem Tod, weitgehend verloren gegangen.
Diese Entwicklung hat auch vor der zeitgenössischen Theologie nicht haltgemacht, etwa in Form der hauptsächlich von evangelischen Theologen vertretenen Ganztodtheorie.
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Rudolf Steiner beschreibt die Dreiteilung des Menschen in Körper, Seele und Geist in der GA 9 ganz anschaulich am Beispiel eines Spaziergangs über eine Blumenwiese:
"Ich gehe über eine mit Blumen bewachsene Wiese. Die Blumen künden mir ihre Farben durch mein Auge. Das ist die Tatsache, die ich als gegeben hinnehme. – Ich freue mich über die Farbenpracht. Dadurch mache ich die Tatsache zu meiner eigenen Angelegenheit. Ich verbinde durch meine Gefühle die Blumen mit meinem eigenen Dasein. Nach einem Jahre gehe ich wieder über dieselbe Wiese. Andere Blumen sind da. Neue Freude erwächst mir aus ihnen. Meine Freude vom Vorjahre wird als Erinnerung auftauchen. Sie ist in mir; der Gegenstand, der sie angefacht hat, ist vergangen. Aber die Blumen, die ich jetzt sehe, sind von derselben Art wie die vorjährigen; sie sind nach denselben Gesetzen gewachsen wie jene. Habe ich mich über diese Art, über diese Gesetze aufgeklärt, so finde ich sie in den diesjährigen Blumen so wieder, wie ich sie in den vorjährigen erkannt habe. Und ich werde vielleicht also nachsinnen: Die Blumen des Vorjahres sind vergangen; meine Freude an ihnen ist nur in meiner Erinnerung geblieben. Sie ist nur mit meinem Dasein verknüpft. Das aber, was ich im vorigen Jahre an den Blumen erkannt habe und dies Jahr wieder erkenne, das wird bleiben, solange solche Blumen wachsen. Das ist etwas, was sich mir offenbart hat, was aber von meinem Dasein nicht in gleicher Art abhängig ist wie meine Freude. Meine Gefühle der Freude bleiben in mir; die Gesetze, das Wesen der Blumen bleiben außerhalb meiner in der Welt."
Dies bedeutet, der Mensch verbindet sich in dreifacher Weise mit der Welt.
Ich sehe die Blume = Sinneswahrnehmung der Blumen = durch den Leib des Menschen
Ich freue mich über die Blume = Sinnesempfindung/Gefühle = durch die Seele des Menschen
Ich kontempliere über die Gesetzmäßigkeit der Blumen = Erkenntnis = durch den Geist des Menschen
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Literaturtipps
Adolf Baumann: Wörterbuch der Anthroposophie Taschenbuch, ISBN-13 : 978-3478084468
Rudolf Steiner: Anthroposophie: Weisheit vom Menschen, ISBN-13 : 978-3867721554
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